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Instabile Gleichgewichte

„Kleine Geschichten“-Schnackenbergs neue Arbeiten sind in ihrer Intimität und Privatheit eine Überraschung und in ihrem Künstlerischen Zugriff eine kleine Offenbarung. Was Schnackenberg in diesen aus unterschiedlichem Bildmaterial zusammenmontiern, aufwändig digital bearbeiteten und mit farbigen Wachsen überzogenen Bildern gibt, sind – trotz des Titels „Kleine Geschichten“ – nicht wirklich zusammenhängende Geschichten. Es sind eigentlich „Mitteilungen an die Freunde“, von Stimmungen und Gefühlen getragene Betrachtungen, tagebuchhafte Bekenntnisse, flüchtige Notate, bildliche Reminiszenzen und Ahnungen, die Schnackenberg aus persönlicher Perspektive und aus persönlicher Betroffenheit zu Sinnbildern von hoher poetischer Prägnanz verdichtet hat.

Die Bilder handeln von Liebe vor allem, von Heimat und vom Tod.

Der Tot begegnet mehrfach: als katastrophaler Tod des 11. Septembers, aber auch als einsamer Tod des Mannes, der unter einer Wäscheleine flach dahingestreckt liegt.

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Kleine Gescgichten 2002, 60 X 80 cm

Die Liebe und die Sehnsucht danach sind das Hauptthema dieser Szenen. Zwischen Mann und Frau kommt es zu Begegnungen und „versuchten Nähen“, häufig aber zu Verfehlungen, zu Lossagungen, Zerwürfnissen. Eine Frau fortgeschrittenen Alters kehrt leitmotivisch auf mehreren Tafeln wieder; sie ist Frau, Geliebte, Mutter, Konkurrentin und Verlassene; ein Sinnbild der Vergänglichkeit, der versäumten Gelegenheit und des Abschieds.

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Kleine Geschichten 19, 2002, 80 X 60 cm

Unausweichlich ist der Tod, flüchtig sind die Begegnungen, beständig ist nur die Natur der Bergwelt, die auf Schnackenbergs Berchtesgadener Herkunft verweist. Doch fast immer geht es in den von Entsetzen, Wehmut und Sehnsucht, mitunter aber auch von Gelächter getragenen Szenen um instabile Gleichgewichte.

Schnackenberg Bilder sind keine diskursiven Abhandlungen, es sind visuelle Gedichte. Die Themen greifen ineinander, die Eindrücke vermischen sich mit anderen Eindrücken, mit Erinnerungen, Gefühlen, Ahnungen. Um diese Komplexität der Realitätsebenen sinnfällig zu machen und zu zeigen, wie brüchig die Wahrnehmung und wie privat das Öffentliche und wie öffentlich das Private sind, führt Schnackenberg heterogenes Bildmaterial zusammen: ältere und neue Fotos aus seiner Hand, Postkarten und immer wieder auch Fotos, die er der Tageszeitung entnimmt.

Ist die Form der Montage der adäquate Ausdruck des Inhalts, so rührt auch die singuläre optische Brillanz von Schnackenbergs originärer Technik her. Er bearbeitet die Fotos in einem aufwändigen digitalen Verfahren künstlerisch am Computer. In einem weiteren Arbeitsschritt überzieht er die ausgedruckten Bilder mit Wachs und geht noch weiter, indem er das mit Wachs überzogene Büttenpapier auf Leinwand appliziert und es erneut mit Wachs bearbeitet.

Letztlich spielt das Medium, die künstlerische Gattung, keine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Vorstellungen von „Bild heute“ umzusetzen. Denn egal ob Foto, digitales Bild, ob Zeichnung, Gemälde oder alles zusammen; Was zählt sind gute Bilder, Bilder, die in die Tiefe gehen, die aus Häutungen und Schichtungen entstehen und so eine komplexe Weltsicht vermitteln. Genau dies tun Schnackenbergs „Kleine Geschichten“.

Martin Seidel

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Kleine Gescgichten 2002, 60 X 80 cm